„Literatur ist Alchemie: Alltagsstoff verwandelt sich in Gold. Aber es ist Alchemie in Zeitlupe. Wie sie funktioniert, können Schriftsteller meist selbst nicht sagen (Literaturkritiker auch nicht)“, schreibt Martin Ebel am 11. Mai im Tagesanzeiger.
Die Literatur, die Musik, ja die Kunst verbindet dich mit etwas, was größer ist als du selbst. Diese Feststellung als Kompliment kam dieser Tage per Tweet: „Das literarische Leben geht unbeirrbar weiter … auch dank des Wieser Verlages und seiner Kreativen. Wie das Wasser findet es seinen – immer wieder neuen – Weg, alle Hindernisse umfließend, um im Meer seiner Bestimmung aufzugehen„, schreibt uns Arnulf Spiess, ein alter Freund.
Und weil wir in einer Zeit leben, die mit der Bewältigung der aktuellen Pandemie uns nicht vergessen lassen darf, dass die geistige noch viel tiefer sitzt, finde ich mich an Diderot erinnert, der mit seinem enzyklopädischen Ansatz der Disharmonie und der kaleidoskopartigen Betrachtung die Breite der Vielfalt skizziert, die sowohl im Konsens als auch im Widerspruch zueinander den gesellschaftlichen Fortgang erst ermöglicht. Das ist in den heutigen Debatten, schnell hingesagten Vorwürfen und seichtem Getwitter, wie es scheint, zu oft verschollen.
Wie auch vergessen scheint, dass wir Anfang der Neunzigerjahre noch vieles ändern hätten können, da war die chauvinistisch-nationalistische Zerstörungswut noch nicht entbrannt; mit den Briefbomben begann es sich zu drehen und alle, ja alle Parteien öffneten ab da dem Populismus Tür und Tor, und dieser hielt, von Österreich ausgehend, Einzug im europäischen Diskurs, bis er diesen bestimmte. Wir müssen nicht weit schauen und erkennen seine Fratze in der Unterscheidung zwischen „in Österreich lebenden Menschen“ und „Österreicherinnen und Österreichern“, im Schließen der Augen vor der Not auf Lesbos und den Elendsquartieren, im menschenunwürdigen Umgang mit den ErntehelferInnen oder der unwürdigen Sonderzugaktion für Pflegerinnen. Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.
Wir hielten mit unserer Verlagsarbeit konsequent dagegen, organisierten während des Krieges um Jugoslawien Unterstützungen für Autoren auf der Flucht, boten ihnen Exil und halfen ihnen zu überleben. Wir übersetzten systematisch Literatur aus Südosteuropa, dem Balkan und dem europäischen Osten, gründeten die „Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens“, um dem Manko an Wissen über diesen Raum entgegenzuwirken, und mit „Europa erlesen“ gaben wir Europa einen literarischen Begriff, indem wir europäischen Regionen und Städten literarische Visitenkarten ausstellten und der Emotion, dem Gefühl und dem Gesicht Worte und Verse gaben – allein in dieser Reihe in 230 Bänden.
Damals wie heute wussten wir: Es ist die Literatur, die unsere Ängste und Unsicherheiten eindämmt. Es ist die Literatur, die dir das Gefühl für die Zeit wieder gibt (siehe Antescriptum Wieser-Herbstkatalog).
Literatur ist geistige Nahrung, Literatur ist ein Grundnahrungsmittel, ohne das eine Gesellschaft zugrunde geht und verwelkt. Bücher sind Lebensmittel der Seele, von ihnen hängt das Gleichgewicht der Seele und die erfolgreiche Zukunft ab. Drum ist es nur recht, wenn diese „Beiseln+Wirte der Seele“ mit Büchergutscheinen für heimische Verlage, im Buchhandel einlösbar, wieder erweckt und belebt werden. Daher mein Vorschlag: Für Leser mit Tendenz zum Zweitbuch 25 €, für geübte und Mehrleser 50 €.