Wir haben wieder Wahlen in Kärnten. Man merkt nicht allzuviel, was in erster Linie der Pandemie geschuldet ist und das, was man hört, lockt auch nicht gerade einen Jubelschrei donne (= kärntnerisch heraus, hervor). Es bleibt beim Lockdown. Alles, was man hört, klingt eher nach einem Long-Covid-Krächzer und keinem lock-donne. Programmatisch, wie sprachlich.
Nachdem ja im Land die ursprünglich erste Sprache, das Slowenische, lange zum Verstummen gebracht wurde, hat sie sich in den letzten Jahrzehnten ein wenig Anerkennung und Achtung erzwungen. Proportional zu ihrem flächendeckenden Verstummen hat sie sich durch Literatur und Kultur größere Beachtung verschafft, als ihr zustehen würde, meinen einige. Durch die Vervollständigung eines Teils der Ortstafeln hat sie Sichtbarkeit erlangt und es geschafft, dass der einhundert Jahre das Land prägende Konflikt vom Tisch gewischt wurde. Durch zahllose Auszeichnungen, wie Maja Haderlap, und den Literatur-Nobelpreis an Peter Handke, um nur zwei der Zahlreichen anzuführen, hat sie sogar einen kleinen Kultstatus erlangt.
Jetzt muss man wissen, dass die Frage, ob eine, zwei oder mehr Sprachen in unserer Gegend gesprochen werden dürfen, über Jahrzehnte zur Grundsatzfrage von Gut und Böse erklärt wurde. Anfänglich, in den Jahren nach der Volksabstimmung 1920, durch Arbeitsverweigerung. ‚Behälts du deine Sprache, kriegst keine Arbeit und kannst gehen.‘ Viele gingen fort und kamen nie wieder. Der jüdischen Diaspora nicht unähnlich, nur in geringerer Zahl, aber dadurch um nichts weniger tragisch. Während des Zweiten Weltkrieges durch Aussiedlung und durch Köpfen der sprachlichen Deliquienten. Nur in den Wäldern war die verfolgte Sprache gern gehört und waren deren Sprecher auch die, die sich innerhalb des Dritten Reichs diesem zur Wehr setzten. Bald nach dem Krieg ging es durchs Vergessen der gegebeben Versprechen, die zwar in einem Staatsakt festgeschrieben wurden, weiter und dadurch, dass man die slowenische Sprache 1958 vor die Türen der Volksschulen setzte und die Menschen zum Outing und zum Bekenntnisprinzip zwang, verstummten Viele. Für die Wenigen, die sich nicht einschüchtern ließen, wurde Sprache lernen ein stilles Trotzen für Außenseiter und musste durchs Nachsitzen ersessen werden.
Das alles geschah unter dem Applaus der Parteien, des Abwärtskämpferbundes, des Heimstdienstes, der Gewerkschaft, der Medien, der Kammern u.v.a.m. Wagte da einer nur den Kopf zu heben und wollte er oder sie auch nur einen Ton – in der falschen Sprache – sagen, war er allseits geächtet und ein Jemand, der oder die den Frieden im Land stört. Letztendlich ein Gefärder der Demokratie und ein sturer slowenischer Nationalist, für den man auch schon genau wusste, wo er oder sie hingehört: ‚Hauruck über den Loibel!‘
Alle ruckten und duckten sich nicht sogleich, auch in die hiesigen Täler zog irgendwann frischerer Wind und im Zuge des Wiederaufbaus hatte sich der wachsenden Wohlstand auch als eine Frischzellenkur des Denkens erwiesen: Komitees vervollständigten Otstafeln, zweisprachige Zeitschriften machten ihre Gehversuche, Bücher wurden erstmals übersetzt, in den Medien besprochen und sie erleichterten vielen, die eigene Kindheitssprache, oder Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern zu verstehen; im freien, nichtmonopolisierten Äther hörte man die Sprache flächendeckend und nicht mehr nur in homöopathischen Zeiten, bewegte Bilder gesellten sich bescheiden dazu. Internetplattformen machten zweisprachige Ortstafeln populär, im Konsens traten zwei einstige verfeindeten Strömungen gewichtig gemeinsam und versöhnlich auf; zigtausende plädierten für das verbriefte demokratische Recht auf Sichtbarkeit der Sprache und für zweisprachige Ortstafeln.
Und dann war die Ortstafellösung auf einmal da. Dass, was Jahrzehnte wie ein heiliges Schreckgespenst zur Verdrängung der Sprache und Dezimierung ihrer Sprecher gute Dienste geleistet hat, brach innerhalb kürzester Zeit in sich zusammen. Zur hundersten Wiederkehr der Volksabstimmung entschuldigt sich der Bundespräsident Van der Bellen bei allen Sloweninnen und Slowenen für das erlittene Leid und alle Versäumnisse, die die Umsetzung festgeschriebener Verfassungsrecht verhindert haben. Ein wichtiger Trost für den entstandenen Schaden.
Und jetzt stand man da und konnte kaum glauben, dass das hundertjährige Schreckgespenst im hohlen Sack mit heißer und verbrauchter Luft verrottet.
Warum ward vielfach nicht gefragt, wie auch jetzt kaum jemand sich Gedanken machte, wie das, was man gerade überwunden und an neuer Lebensqualität hinzugewonnen hat, zu erhalten, geschweige denn, auszubauen wäre. Man nahm es mehrheitlich hin, hinwegekommen zu sein und fragte lieber nicht, was man als Politiker, Gewerkschafter, Kammerer, Medienmensch in Print und Fernsehen, beigetragen hat, und war wohl froh, für eigene vergangene Versäumnise nicht auch noch belangt zu werden.
Wenn uns das vergangene Jahrhundert etwas lehrt, dann, dass Sprachen Kultur, dass Kultur Achtung (des und der Anderen, der Hiesigen und der Hergekommenen) ist, dass Achtung Würde in Frieden ist. Und, dass nur so Kriege verhindert werden.
Im Wissen darum, wie knapp wir auch in unsereren Breiten, wegen der Hochnäsigkeit anderen Sprachen und Kulturen gegenüber, an der Katastrophe – schon mehrmals – vorbeigeschrammt sind, ist es kaum zu verstehen, warum bei Wahlen, (die als höchste Form des demokratischen Willens unserer derzeitigen Gesellschaftsform geprießen werden), die meisten Parteien noch immer glauben, mit ihrer einsprachigen Eindimensionalität durchzukommen und von den hier lebenden Menschen gewählt werden sollen. Hat uns doch gerade unsere Geschichte der letzten hundert Jahre in Kärnten gelehrt, wohin sprachliche Überheblichkeit führt und zugleich hat sie uns – wie durch ein Prisma – gezeigt, dass der in der Gesellschaft verborgene und im eigenen Gehabe (der Partei, der Gewerkschaft, der Kammern, der Medien…) versteckte Großmachtchauvinismus noch immer eine offenen Agora der freien Begegnung verhindert.
Ohne einen radikalen Bruch wird es nicht gehen. Was das heißt? Solange nicht alle Parteien, Gewerkschaften, Kamnern, Kirchen, Institutionen, Medien u.v.a.m. allen hiesigen Sprache der hier lebenden Menschen in geeigneter Form (Zeitungen: Zusammenfassungen. ORF: Untertitelung. Parteien: Zusamnenfassungen, Hompages, eigene Flyer) und selbstverständlich Geltung geben und auch offensiv im Betrieb, den Ämtern, den Kirche, in der Wahlwerbung, auf Plakaten usw. anwenden, wird der Geist der assimilierenden Vergangenheit die freie Entwicklung des Umganges miteinander zunehmend behindern.
Gerade der laufende Wahlkampf zeigt gut auf, wo wer im Verständnis dieses einfachen, aber für die Demokratie bedeutsammes, Menschenrechtes auf Sprache ist.
Wo stehen im derzeitigen Wahlkampf die Parteien?
– ÖVP, FPÖ, Team Kärnten und SPÖ kommen alle ohne der slowenischen Sprache und der Sprachen der hier lebenden Menschen aus. – Die Neos geben sich sichtlich Mühe und bringen wichtige Teile ihrer Botschaften zumindest auch auf Slowenisch, Italienisch und Englisch. – Die Grünen schwächeln in der zweisprachigen Präsentation und beschränken sich in Klagenfurt auf einen Satz im Kulturprogramm. Heute hat sich Sonja Koschier zum Tag der Muttersprachen geäußert . – Wie weit sich KPÖ dahingehend outet, konnte ich nicht erkennen. – Dass die EL konsequent zweisprachig ist, ist selbstverständlich und fast logisch, umsomehr ist es lobenswert. Hier ein Bericht von Clara Milena Steiner in der Krone darüber. – Sowohl bei den Grünen als der KPÖ stehen zwei Angehörige der Kärntner Slowenen an der Spitze der Partei. – Keine der Parteien hat in ihren Werbematerialien Klagenfurt auch als Celovec bezeichnet, wiewohl es die Hauptstadt aller ist. – Keine der Parteien hat es für notwendig oder erstrebenswert gefunden, die in Kärnten lebenden und systemwichtige Jobs ausübenden Arbeiter und Abgestellten in ihren Kindheits-, Mutter- und Vatersprachen anzusprechen.
Solange Worte und Taten so erschreckend weit auseinander klaffen, wird es bei Beteuerungen – ohne merklicher Verbesserung, fürchte ich – bleiben. Damit bleibt man aber auch selbst Teil des Problems, nicht der Lösung.
Malokje se v tem volilnem boju najde slovenski jezik, da o jezikih prišlekov ne govorim. Preteklo stoletje nam je predočilo, kaj pomeni ponižanje jezika, v kakšni naglici se lahko preobrne celoten sistem demokracije v sistem uničevanja. Koroški primer pod drobnogledom je pa tudi primer, kako iz preteklih zamud in napak preiti v smer spoštovanja in upoštevanja človekovih pravic. Dokler se besede in dejanja tako razhajajo, so akterji del problema in niso del rešitve.